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Brexit: Politisieren Sie sich!

Erstellt von r.ehlers am Freitag 24. Juni 2016

In einem Fenster hängt ein Plakat mit der Aufschrift Keep calm and vote for Brexit

Ist der Mensch von seiner Natur her oder, wie Aristoteles meint, von seiner Bestimmung (telos) her ein auf Staatenbildung angelegtes Lebewesen, ein Zoon Politikon? Wenn das sicher wäre, gäbe es keinen Zweifel daran, dass wir gut daran tun, zur Verwirklichung unserer Persönlichkeit einen eigenen Standort in der Politik zu suchen. Tatsächlich hat ja auch jeder von uns seine eigenen Meinungen und mischt sich manchmal sogar damit ein.

Ich schlage vor, dass wir uns dessen, was Demokratie ist und was sie sein sollte, besser bewusst werden und uns viel mehr einmischen sollten. Ein Zeitzeichen haben jetzt die Briten gesetzt, denen wir die moderne Demokratie und die Rechte der Bürger gegen die Obrigkeit zu verdanken haben.

Mit der Entscheidung vom 23.6.2016 über den Ausstieg Großbritanniens aus der EU haben wieder einmal die britischen Bürger für das Recht des Volkes votiert, selbst über ihr politisches Schicksal zu entscheiden statt dies anderen zu überlassen. Mir fiel schon in der Zeit des Wahlkampfs über den Brexit auf, dass viele der von Journalisten interviewten Männer und Frauen dort erklärten, dass die Dinge , die sie in ihrer Region und in ihrem Land betreffen, nicht weit weg in Belgien entschieden werden sollten.  Damit ist der Kernsatz des Subsidiaritätsprinzips beschrieben (s. Anhang), dessen wir uns überall in der Welt besser annehmen sollten.

In Deutschland bemühten sich aber vor dem Brexit  die  Politik und die versammelten Medien uns gegen solche Gedanken zu immunisieren, weil die Globalisierung  uns keine Wahl ließe, als aus einem Europa der Nationen einen mächtigen Zentralstaat zu machen, in dem natürlich nicht jeder nach seiner Meinung gefragt werden könne.

Das Interesse aller Menschen in Europa an der Sicherung der friedlichen Zusammenarbeit der Länder miteinander war nach zwei Kriegen die von den Regierungen angezettelt worden waren, sehr groß.  Aber dass die Handelsfreiheit in Europa und die Reisefreiheit nur zu haben sein sollten, wenn mehr und mehr das ganze Leben von der europäischen Zentrale in Brüssel bestimmt wurde, gefiel kaum jemandem. Wo immer in der Vergangenheit die Völker selbst nach den bestehenden Regeln um ihre Meinung zur Zentralisierung in Europa gefragt wurden, waren sie dagegen.

Die Niederländer haben gerade per Volksentscheid gegen die Assoziierung der Ukraine mit der EU abgestimmt. Die Norweger sind gleich nie der EU beigetreten, sind aber so gut assoziiiert, dass das für alle Teile völlig reicht. Neun der 28 EU-Länder haben den Euro nicht übernommen.  In den anderen Ländern wurde das Volk nicht gefragt. Der von den Regierungen der damals 27 EU-Länder einstimmig vorbereitete EU-Verfassungsvertrag wurde 2005 per Referendum vom Volk in Frankreich und den Niederlanden abgelehnt. Daraufhin schlossen die Regierungen der Länder einfach den fast inhaltsgleichen Vertrag von Lissabon und machten ihn zur neuen Rechtsgrundlage der EU.

Europa muss sich auch in der globalisierten Welt behaupten, besonders gegenüber den „global players“  in der Wirtschaft und dem Finanzwesen. Das kann es aber nicht souverän tun, solange alle Macht in den Mitgliedsländern bei den vom Volke gewählten Repräsentanten liegt, die frei sind, auch gegen die Interessen und den Willen der Völker zu agieren. Wir brauchen eine Demokratie, in der das Volk wichtige Fragen aufgreifen und direkt entscheiden kann (wie jetzt beim Brexit).

 

Anhang. Subsidiarität lt. Wikipedia:

Subsidiarität (von lat. subsidium „Hilfe, Reserve“) ist eine politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Maxime, die Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und die Entfaltung der Fähigkeiten des Individuums anstrebt, wobei ursprünglich auch die Familie oder die Kirchengemeinde als Basiseinheit betrachtet wurde.

Das Subsidiaritätsprinzip legt eine genau definierte Rangfolge staatlich-gesellschaftlicher Maßnahmen fest und bestimmt die prinzipielle Nachrangigkeit der nächsten Ebene: Die jeweils größere gesellschaftliche oder staatliche Einheit soll nur dann, wenn die kleinere Einheit dazu nicht in der Lage ist, aktiv werden und regulierend oder kontrollierend oder helfend eingreifen. Hilfe zur Selbsthilfe soll aber immer das oberste Handlungsprinzip der jeweils übergeordneten Instanz sein.

Aufgaben, Handlungen und Problemlösungen sollten so weit wie möglich vom Einzelnen, von der kleinsten Gruppe oder der untersten Ebene einer Organisationsform unternommen werden. Nur wenn dies nicht möglich ist, mit erheblichen Hürden und Problemen verbunden ist oder der Mehrwert einer Zusammenarbeit offensichtlich ist und diese eine allgemeine Zustimmung erfährt, sollen sukzessive größere Gruppen, öffentliche Kollektive oder höhere Ebenen einer Organisationsform subsidiär, das heißt unterstützend, eingreifen. Das sind meist nach den strittigen, privaten Zwischenebenen (Familie oder Haushaltsgemeinschaft, das weitere persönliche Umfeld und andere private Gemeinschaften) territoriale, öffentliche Kollektive wie Gemeinden, Städte, Landkreise, Länder, Staaten und zuletzt Staatengemeinschaften und supranationale Organisationen.“

Interessant ist hierzu auch die Erklärung von höchster katholischer Stelle zu diesem Thema:

„Wie dasjenige, was der Einzelmensch als eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen; jedwede Gesellschaftstätigkeit ist ja ihrem Wesen und Begriff nach subsidiär; sie soll die Glieder des Sozialkörpers unterstützen, darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen.“

– Papst Pius XI., Enzyklika Quadragesimo anno Nr. 79